Content Note: Da wir in diesem Text diskriminierende Begriffe & Inhalte verschiedener Lieder thematisieren, ist an einigen Stellen die Nennung diskriminierender Wörter und Liedzeilen zur Darstellung des Problems leider notwendig. Wer sich diesen Inhalten nicht aussetzen möchte, sollte den Beitrag in dieser Form nicht lesen. Gerne könnt ihr euch bei uns melden und eine Version ohne die offene Nennung der Begriffe per Mail erhalten.
Dieser Beitrag soll über diskriminierende Gesänge und Begriffe innerhalb unserer Fanszene aufklären und sensibilisieren. Zu weit sind sie noch immer verbreitet, zu häufig im Umfeld unserer Eintracht zu vernehmen. Eben deshalb haben wir eine Sammlung diskriminierender Lieder sowie Begriffen erstellt und ihre jeweils diskriminierende Wirkung dargestellt und problematisiert. Diese Auflistung ist nicht erschöpfend oder vollständig – sollten euch weitere Gesänge/Begriffe im Sinn sein, die aufgenommen werden sollen, teilt uns dies gerne mit.
Ja, Fankultur lebt auch von Rivalität, Pöbeleien und verbalen Auseinandersetzungen mit den gegnerischen Fans. Doch dort, wo Inhalte diskriminierend sind, Menschen, ob unmittelbar beteiligt oder nicht, aufgrund von Hautfarbe, Sexualität, Geschlecht oder anderen Eigenschaften, angegriffen werden, endet Fankultur. Die immer wieder zu vernehmenden Floskeln von „Das ist beim Fußball halt so“ oder „Das ist doch nicht so gemeint“ greifen hier nicht mehr.
Da wir überzeugt sind, dass die Veränderung aus der Fanszene und dem Verein selbst entstehen muss, soll dieser Beitrag auch Anstoß sein zum individuellen Reflektieren der eigenen Worte und Taten. Wir können diskriminierende Begriffe weglassen, sie problematisieren. Wir können den Mund aufmachen, wenn wir von anderen Fans diskriminierende Äußerungen, Beleidigungen oder Gesänge wahrnehmen. Einstehen für unsere Werte und Überzeugungen – und jene des Vereins. Mit diesen, auch wenn der Verein sich im Umgang mit rechtsextremen Gruppen immer wieder anders verhält und seine Werte umkurvt, sind die folgenden Gesänge und Begriffe zumindest nicht vereinbar:
„Eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von Hannover bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir.“
Früher als Teil des etablierten Liedguts zu verschiedensten Anlässen (Derby, Auswärtsfahrten, im Umfeld des Stadions, …) in trauriger Wiederkehr zu vernehmen, ist dieser antisemitische Gesang heute zumeist nur noch in rechtsextremen und ihrem Umfeld akzeptiert und wahrnehmbar. Doch ist auch diese Akzeptanz ein Problem, weshalb es auch diese zwar geringere, aber noch vorhandene Akzeptanz zu problematisieren gilt – wegen des antisemitischen Inhalts sowie zur Verhinderung einer Re-Etablierung. Angesichts der bis zuletzt offen gezeigten rechtsextremen Positionen von Teilen der aktiven Szene um Block 8 & 9 und der halbherzigen Distanzierungsversuche von diesen Inhalten seitens der Ultra-Szene, insbesondere Cattiva, ist ein Versuch der erneuten Etablierung solcher Texte in weitere Teile des Stadions und der Fanszene nicht auszuschließen.
Allein die Bezugnahme auf einen solch, in erschreckender Natur symbolträchtigen Ort wie Auschwitz, wo die Nationalsozialist*innen weit mehr als eine Million überwiegend jüdische Menschen systematisch vernichteten, gibt diesem Gesang einen antisemitischen Grundzug. Er verharmlost weiterhin die Shoa und übernimmt die nationalsozialistische Logik von Entmenschlichung und Vernichtung im Bezug auf Hannoveraner*innen. Bei aller Rivalität zu Hannover, die Grenzen der Menschlichkeit müssen auch die Grenzen der Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Fanlagern sein. Die Relativierung des nationalsozialistischen Schreckens, des industriellen Massenmords, darf kein Mittel der fußballerischen Auseinandersetzung sein – sie darf keinen Platz in Kurve, Fanszene und Gesellschaft haben.
Die letzte uns bekannte Bezugnahme innerhalb des Stadions gab es im Derby am 06.11.2016 per Spruchband: „Wischt euch den Angstschweiß von der Stirn. Die U-Bahn wird heute nicht gebaut“. Es macht auch deutlich, in welchem Bereich der Kurve dieses Lied noch immer Akzeptanz findet.
„Jude“, „Juden Jena“
Wenn das Wort „Jude“ als Beleidigung verwendet wird, ist der antisemitische Charakter offensichtlich. Diese Beleidigung basiert auf einer Abwertung des Judentums und geht mit einer Zuschreibung vermeintlich „jüdischer Eigenschaften“ gegenüber ihren Anhänger*innen einher, wie sie von den Nationalsozialist*innen propagiert wurden. Die Nutzung dieses Begriffs als Beleidigung verharmlost die systematische Vernichtung jüdischer Menschen im Nationalsozialismus. Weiterhin bedient sich diese Beleidigung Inhalten antisemitischer Verschwörungstheorien und Ideologien und befeuern ihre Verbreitung und Etablierung.
„Neger“, „schwarze Sau“, „Affe“
Anders als bei vielen hier problematisierten Begriffen handelt es sich beim Wort „Neger“ um einen bereits über mehrere Jahrhunderte etablierten Begriff, welcher sich erst in den letzten Jahrzehnten zunehmend aus der Umgangssprache verabschiedet – jedoch bis heute zu hören ist. Diese alltägliche Verbreitung im Sprachgebrauch hat den Begriff jedoch nie von seinem diskriminierenden Charakter gelöst, sondern zeigte viel mehr die Normalität von Rassismen innerhalb unserer Gesellschaft. Etabliert im Zuge der zunehmenden Entstehung und Verbreitung von Rassentheorien, welche die Menschheit in unterschiedliche Rassen unterteilen und hierbei zumeist von einer „arischen Herrenrasse“ bzw. „weißer Überlegenheit“ sowie „unzivilisierten“, „gewalttätigen“, „unterentwickelten“ und „weniger intelligenten“ schwarzen Menschen bzw. einer „schwarzen Unterlegenheit“ sprechen, sind dies auch heute noch zentrale Zuschreibungen für den Begriff „Neger“. Mit der Nutzung dieses Begriffs begibt man sich in eben jene ideologischen Zusammenhänge von Kolonialismus, Rassentheorie und Unterdrückung. Er ist daher schon vom Ursprung her rassistisch, kann diese Eigenschaft auch nicht ablegen bzw. verlieren und zutiefst menschenverachtend.
Die Beleidigungen „schwarze Sau“ oder „Affe“ zielen hierbei ebenfalls auf eben diese Rassenlogik evolutionärer Überlegenheit weißer Menschen ab. Die Begriffe mögen aufgrund ihres tierischen Ursprungs weniger diskriminierend erscheinen, jedoch stellt die bewusste Nennung „schwarz“ vor „Sau“ eine rassistische Bezugnahme dar, welche aus der sonst schlicht beleidigenden Bezeichnung „Sau“ einen rassistisch-diskriminierende Beleidigung werden lässt. „Affe“ hingegen stellt einen unmittelbaren Bezug zur Theorie der evolutionären Unterlegenheit und geringeren Entwicklung schwarzer Menschen dar, welchen so auf Basis als „natürlich“ angenommener Rassenhierarchien das Mensch sein abgesprochen wird. Vermeintlich harmlose Begriffe mit tief rassistischem Charakter. All diese Begriffe können auch argumentativ nicht von ihrem rassistischen Kern getrennt werden und dürfen keinen Platz im Stadion und unserer Fanszene finden.
„In Hannover, in Hannover, fickt der Vater seinen Sohn und die Mutter leckt die Tochter, ja, das ist da Tradition.“
Für viele mag dieser häufig wahrnehmbare Gesang gar nicht unmittelbar diskriminierend wirken. Die Nutzung von Inzest als Basis der Beleidigung mag eher wie eine geschmack- und einfallslose Form der Fußballpöbelei erscheinen. Jedoch steckt in der beschrieben Kombination von Vater & Sohn sowie Mutter & Tochter eine homophobe Komponente, da die homosexuelle Intimität als Erweiterung der Inzest-Beleidigung genutzt und dadurch eine negative Bezugnahme zu gleichgeschlechtlicher Liebe vorgenommen wird. Insbesondere diese lässt den eindeutig diskriminierenden Charakter des Liedes sichtbar werden und sollte Anstoß dazu sein, über andere Formen der verbalen Auseinandersetzung mit Hannover nachzudenken & zu diskutieren.
„Hurensohn“ / „Hure“, „Fotze“, „Schlampe“, …
Die oben stehende Auflistung ist nicht erschöpfend, zu vielfältig ist die Auswahl unterschiedlichster Beleidigungen mit ähnlicher Botschaft. Hierbei lässt sich innerhalb der Diskriminierungsform „Sexismus“ bzw. „Misogynie“ nochmals in unterschiedliche Bereiche differenzieren:
So wertet die beleidigende Verwendung der Begriffe „Hure“, „Schlampe“ oder „Nutte“ die Tätigkeit und Würde von Sexarbeiterinnen ab und schreibt Sexarbeit einen schmutzigen, minderwertigen Charakter zu. Dass Sexarbeiterinnen sich teilweise selbst als „Huren“ bezeichnen, ändert an diesem diskriminierenden Charakter nichts. Dabei handelt es sich um eine individuelle Selbstbezeichnung, welche stets mit einer positiven Bezugnahme auf die eigene Berufstätigkeit einhergeht – im Gegensatz zum beleidigenden Gebrauch. Weiterhin werden diese Begriffe als Bezeichnungen für Frauen genutzt, welche häufig wechselnde Sexualpartner*innen haben, während dies bei Männern in gleichen sozialen Kreisen zumeist positiv beurteilt wird. Auch dies stellt eine sexistische Diskriminierung dar. „Hurensohn“ stellt weiterhin die Übertragung der negativen Zuschreibung der Mutter auf die beleidigte Person dar und nutzt somit die dargestellte Logik der Diskriminierung in gleichem Maße.
Begriffe wie „Fotze“ oder „Muschi“ hingegen drücken eine allgemeine Frauenverachtung aus, welche nicht nur die Frau zum sexualisierten Objekt werden lassen, sondern gleichzeitig eine Reduzierung auf das Geschlechtsorgan vornehmen. Der Begriff „Muschi“ beinhaltet zugleich eine Zuschreibung von vermeintlich negativen „weiblichen“ Eigenschaften wie Schwäche oder Mutlosigkeit und soll, gegen Männer gerichtet, so die fehlenden Männlichkeit der beleidigten Person ausdrücken. Zu Grunde liegen dieser Form der Verwendung frauenverachtende, patriarchale Denkstrukturen, in welchen vermeintliche Stärke, Härte und Kampfeswille als „männlich“ und positiv gelten.
Trotz der durch eine weite gesellschaftliche Verbreitung manchmal ganz beiläufigen, alltäglichen Verwendung all dieser Begriffe in manchen Teilen der Gesellschaft, tragen Begriffe wie die genannten einen tiefen entmenschlichenden & frauenfeindlichen Charakter in sich. Insbesondere aufgrund diesen Charakters sowie der hohen Verbreitung sollte die Nutzung dieser Begrifflichkeiten kritisch reflektiert und vermieden werden.
„Schwuchtel“, „schwul“, „Schwuler, Schwuler“, „Homo“
Ebenfalls weit verbreitet sind homophobe Beleidigungen wie die oben genannten. Dabei findet eine Zuschreibung vermeintlich negativer und „homosexueller“ Eigenschaften wie „schwach“, „verweichlicht“ oder „unmännlich“ statt. Auch hier greift die Logik des „starken Mannes“ als Ideal. Werden Frauen in ähnlicher, mit Bezug auf Homosexualität versehener Art beleidigt, findet dabei wiederum eine Zuschreibung als „unweiblich“ oder „männlich“ statt. Ziel der Beleidigung ist dabei der Angriff auf die vermeintlich fehlende Entsprechung des Verhaltens und Erscheinens zum biologischen Geschlecht, was neben einer homophoben Ebene auch eine generelle LGBTQ-Feindlichkeit und Ablehnung geschlechtlicher Vielfalt beinhaltet. Selbst wenn die Intention der Beleidigung eine andere ist und als Folge einer Veralltäglichung ganz beiläufig verwendet wird, ändert dies nichts an eben diesem diskriminierenden Charakter.
„Spasti“, „Spast“, „Behinderter“, …
Eine ebenfalls weit verbreitete Form diskriminierender Beleidigungen ist die Feindlichkeit gegenüber Menschen mit Behinderung, welche sich in oben genannter sowie vielen anderen Begriffen ausdrückt – auch gegen Menschen ohne Behinderung. Hierbei findet eine Abwertung von Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung statt, welche auf einer darin eingeschlossenen pauschalen negativen Darstellung der Eigenschaften, die aus der Behinderung resultieren, basiert. Eng verbunden damit ist eine hierarchische Überordnung eines „gesunden Normaltypus“ gegenüber Menschen mit Behinderung. Auch die veralltäglichte Nutzung dieser Begriffe löst sie nicht von diesem Charakter, sondern trägt viel mehr zur Normalisierung dieser Diskriminierung bei.
Und nun?
Für all diese Beleidigungen gilt, dass sie auch ohne die diskriminierende Intention versehen eine diskriminierende Wirkung haben. Insbesondere in einem Rahmen wie einem Spiel unserer Eintracht, ob Heim oder Auswärts, sind viele Menschen auf engem Raum, ob im Stadion, der Bahn oder dem Zug. Dort sind immer auch Menschen, für welche die jeweilige Beleidigung unmittelbar diskriminierend wirkt, da sie der jeweils diskriminierten Gruppe angehören – und selbst wenn nicht, handelt es sich bei der Verwendung diskriminierender Begriffe und Gesänge um einen Akt der Verbreitung antisemitischer, rassistischer sexistischer, homophober oder anders diskriminierender Inhalte, woraus schon für sich die Notwendigkeit einer Problematisierung entsteht.
Allein unser Verein umfasst Menschen aus vielfältigsten sozialen Kontexten, seine Werte beinhalten den gegenseitigen Respekt in alle (demokratischen) Ecken der Gesellschaft hinein und basieren auf Solidarität und Miteinander. Da der Fußball auf den Rängen trotz aller positiven Entwicklungen (insbesondere in einzelnen Fanszenen) noch immer sehr weiß, heterosexuell und männlich geprägt ist, werden diskriminierende Wirkungen von Gesängen/Liedern/Begriffen insbesondere im Stadion oftmals nicht als das wahrgenommen, was sie sind. Ein weiterer Grund dafür ist, dass all diese Diskriminierungen tief in der Gesellschaft verwurzelt sind und dies weiterhin dazu führt, dass auch jene Menschen, die keiner rassistischen, antisemitischen oder homophoben Ideologie/Denkweise folgen, diskriminierende Begriffe nutzen. Es ist daher wichtig, sich der diskriminierenden Wirkung & Folgen bewusst zu werden und das eigene Handeln zu reflektieren – wiederholt und kritisch. Gemeint sind hiermit wir alle, denn nur gemeinsam, in Eintracht, sind wir in der Lage, jene Stimmen, die überzeugte Antisemit*innen sind und/oder homophobe, sexistische oder anderweitig diskriminierende Einstellungen teilen, aus unserem Stadion fern zu halten und so einen diskriminierungsfreien Raum zu schaffen, in welchem sich wirklich eine bunte Eintracht auf den Rängen finden kann.
Abschließend möchten wir euch, sofern ihr nicht anderswo bereits davon gelesen habt oder von dort auf diesen Beitrag gelangt seid, unsere aktuelle Umfrage zu Diskriminierung im Umfeld der Spiele unserer Eintracht hinweisen. Um einen besseren Eindruck von der Verbreitung und Wahrnehmung von Diskriminierung zu bekommen, fragen wir euch dort nach euren Begegnungen und Erfahrungen mit Diskriminierung im Rahmen von Eintracht-Spielen. Wir würden uns freuen, wenn ihr euch die ca. 10 Minuten Zeit zum Beantworten der Fragen nehmt. Gerne könnt ihr auch andere Anhänger*innen unserer Eintracht auf die Umfrage sowie diesen Beitrag hinweisen.
Vielen Dank!
Faninitiative Braunschweig